Die prominent besetzte Pressekonferenz der SMM markierte heute den Auftakt für vier spannende Tage, an denen sich die maritime Branche in Hamburg trifft, austauscht und netzwerkt. Bernd Aufderheide, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hamburg Messe und Congress GmbH, zeigte sich begeistert, dass das komplette Messegelände belegt, und ein Austausch auf persönlicher Ebene endlich wieder möglich ist. „Ich bin stolz darauf, dass es uns gelungen ist, so viele hochrangige Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen und Institutionen und ausgewiesene Fachleute auf Seiten der Ausstellenden, aber auch bei den begleitenden Konferenzen zu gewinnen.“ Der Messe-Chef hatte hochkarätige Gäste geladen, um das Kernthema der SMM, die ‚maritime transition‘, zu vertiefen:
- Claudia Müller, Maritime Koordinatorin der Bundesregierung
- Dr. Uwe Lauber, CEO MAN Energy Solutions
- Lars Robert Pedersen, Vize-Generalsekretär BIMCO
- Steve Gordon, Geschäftsführer Clarksons Research
- Wolfram Guntermann, Director Regulatory Affairs Hapag-Lloyd AG
Resilient und zurückhaltend
Geschlossene Häfen, überdehnte Lieferketten, Crew-Change-Problematik: In den vergangenen zwei Jahren hatte Corona die Welt fest in Griff. Ob die grüne Agenda in der Schifffahrt dadurch an Bedeutung eingebüßt hat, wollte Moderator David Patrician von Steve Gordon, Managing Director bei Clarkson Research, wissen. „Das Thema ist sogar noch wichtiger geworden“, sagte Gordon. Er sei beeindruckt, wie gut die Schifffahrt durch die Krise gesteuert ist: „Der Schifffahrtsmarkt war während Corona bemerkenswert resilient.“ Ein Blick in die weltweiten Orderbücher zeige, dass die Werften für die nächsten zwei bis drei Jahre ausgebucht seien. „Der Anteil der Neubestellungen mit alternativen Antrieben liegt bei über 40 Prozent“ – darunter allerdings viele Neubauten, die mit dem Flüssigerdgas LNG laufen. Methanol sei zwar „ein großes Thema“, so Gordon, aber insgesamt seien die Reeder in puncto E-Fuels noch sehr zurückhaltend. „Wir stehen erst am Anfang einer gewaltigen Umstellung auf neue Kraftstoffe, mit einem Flottenerneuerungsprogramm, das massive Investitionen, technologische Veränderungen und Innovationen erfordern wird“, sagte Gordon. Es fehle nicht am Geld– „in der Pandemie hat die Schifffahrt gut verdient“ –, sondern am regulatorischen Rahmen.
Keine Zeit, keine Ressourcen
Auf welchen alternativen Brennstoff sollen die Reeder nun setzen? Dafür gibt es bislang keine klare Antwort. Die Weltschifffahrtsorganisation IMO hat lediglich das Ziel vorgegeben, bis zum Jahr 2100 keine Emissionen mehr auszustoßen, die Industrie selbst ist ambitionierter. Dr. Uwe Lauber ist auch das zu wenig. Denn technisch sei die maritime Energiewende jetzt möglich, sagte der Vorstandsvorsitzende von MAN Energy Solutions. „Die gute Nachricht ist: Wenn der Rechtsrahmen stimmt, kann die Schifffahrt umweltfreundlich sein und ab 2045 kein CO2 mehr ausstoßen“, so Lauber. „Allerdings könnte dies immer noch nicht schnell genug sein, um mit dem Pariser Abkommen in Einklang zu stehen. Allein das Wachstum der Industrie wird bis 2045 zu einer massiven Emissionsüberschreitung führen, wenn wir jetzt nicht handeln.“ Dass die Technologie da ist, zeigt MAN ES an seinem SMM-Stand in Halle A3. Dort stellt das Unternehmen einen Motor vor, der sowohl mit Methanol als auch mit herkömmlichen Kraftstoffen betrieben werden kann. Für 2024 hat MAN den ersten Motor angekündigt, der mit Ammoniak läuft.
Doch was bringt den Reedern die Technik, wenn sie nicht genug Brennstoff haben, fragte Lars Robert Pedersen. Der BIMCO-Vizegeneralsekretär sieht ein massives Problem in fehlenden Energieressourcen. „Die Verfügbarkeit nachhaltiger Energie für den Übergang ist sowohl die Frage als auch die Antwort auf die Dekarbonisierung der Schifffahrt. Das Ausmaß ist gewaltig. Die Schifffahrt sollte mit dem Ausbau der nachhaltigen Energie nicht warten, sondern alle Möglichkeiten nutzen, um die Effizienz der Flotte zu verbessern“, sagte Pedersen und verwies auf die durch den Krieg in der Ukraine verschärfte Energie-Krise.
Verantwortung gefragt
Claudia Müller, die Maritime Koordinatorin der Bundesregierung sicherte der maritimen Industrie Unterstützung zu. "Deutschlands oberste Priorität ist es derzeit, der Branche Planungssicherheit für die notwendigen Investitionen zu geben und die Produktion von kohlenstoffarmen und kohlenstofffreien Kraftstoffen und Technologien auszubauen." Dabei verwies sie auf die starken Zubauraten, die es weltweit bei erneuerbaren Energien gibt. Perspektivisch entstehen Solarparks in Nordafrika und auf der arabischen Halbinsel, große Offshore- und Onshore- Windprojekte in Chile, auch Australien steigt im großen Stil ein. Während in der internationalen Schifffahrt an E-Fuels kaum ein Weg vorbeiführt, sei das Portfolio im Nahbereich größer: Da gebe es auch Einsatzmöglichkeiten für Brennstoffzellen und komplett batterieelektrische Antriebe. "Die Frage, die wir uns auch über die Schifffahrt hinaus immer stellen müssen, ist: Wo kann ich welchen Energieträger am sinnvollsten und effizientesten einsetzen?", so Müller.
Beim Blick in die Zukunft dürfe man allerdings die aktuelle Flotte nicht vergessen – denn Schiffe haben eine Lebensdauer von bis zu 25 Jahren. Eine der wichtigsten Stellschrauben sei die Effizienzsteigerung. „Da ist in der Schifffahrt durchaus noch Luft nach oben“, betonte Müller.
Hapag-Lloyd nutzt diese Übergangsphase schon jetzt ganz gezielt, um die Performance der fahrenden Flotte zu verbessern. „Der Schlüssel dazu sind Retrofit-Programme“, sagte Wolfram Guntermann, Director Regulatory Affairs Fleet, Hapag-Lloyd AG. Die fünftgrößte Container-Reederei der Welt setzt dabei etwa auf die Nachrüstung mit hocheffizienten Propellern des deutschen Herstellers MMG (Mecklenburger Metallguss GmbH). „Die Propeller werden sowohl den Energieverbrauch als auch die CO2-Emissionen um zehn bis zu 13 Prozent senken“, erklärte Guntermann. In das Flottenmodernisierungsprogramm investiert Hapag-Lloyd einen dreistelligen Millionenbetrag. Bereits bis 2030 will die Reederei die CO2-Intensität ihrer eigenen Schiffe um 30 Prozent senken.
Das Beispiel zeigt: Die Schifffahrt ist auf dem richtigen Weg, auch wenn etwa in puncto Treibstoffe der Zukunft noch viele Fragen offen sind. Bernd Aufderheide ist jedoch zuversichtlich, dass die SMM die nötigen Impulse für die maritime Energiewende setzt. „Ich bin sicher, dass die Besuchenden und Ausstellenden nach vier intensiven Tagen mit vielen wichtigen Anregungen nach Hause fahren – und 2024 wiederkommen.”
Offiziell eröffnet wurde die SMM vom Schirmherr der SMM, Bundeskanzler Olaf Scholz, in einer Videobotschaft, in der er die Bedeutung der maritimen Wirtschaft hervorhob: „That ship has sailed (is a phrase) we often use to mark a lost opportunity. But for you as participants at SMM every ship that leaves the port and set sails is an opportunity. And you came to exactly the right place to discuss this opportunities”, sagte Scholz. Er verwies außerdem auf die Rolle, die die Schifffahrt beim Transport alternativer Energieträger wie Methanol und Wasserstoff spiele – alles Themen, die auf der SMM ihre Bühnen finden.
Die SMM ist von Dienstag, 6. September, bis Donnerstag, 8. September, jeweils von 10:00 bis 18:00 Uhr sowie Freitag, 9. September, bis 16:00 Uhr geöffnet. Journalisten können sich hier online für die SMM akkreditieren.
Über die SMM
Die Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft findet vom 6. bis 9. September 2022 in Hamburg statt. Rund 2.000 Ausstellende sowie über 40.000 Besuchende aus mehr als 100 Ländern werden erwartet. Die SMM deckt in elf Hallen die komplette Wertschöpfungskette der Branche ab, bringt Führungskräfte aus allen Teilen der Welt zusammen und ist die Plattform für Innovationen. Im Fokus der 30. SMM stehen die maritime Energiewende, die digitale Transformation und der Klimawandel. 2021 hatte die SMM coronabedingt online stattgefunden. In diesem Jahr trifft sich die Community wieder live auf dem Messegelände sowie in den hochkarätig besetzten Fachkonferenzen. Die SMM 2022 steht unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzler Olaf Scholz.